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Bildergalerie TTIP, CETA und TISA

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Mittwoch, 11. Mai 2016, 17:14

Fragen zur möglichen Entscheidung des Ministerrates über die vorläufige Anwendung von CETA

Wilfried Pürsten
Kaiserdamm 21
14057 Berlin


Berlin, den 9. 5. 2016
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
zu Händen Herrn Staatssekretär Matthias Machnig
11019 Berlin

CETA - Ermessensausübung bei der Entscheidung zur Vorläufigen Anwendung
Sehr geehrter Herr Machnig,

Ich adressiere diesen Brief an Sie, nachdem ich Sie am 21. Mai 2015 beim Deutschen Kulturrat erlebt habe, wo Sie die Position des Ministeriums sehr engagiert und überzeugend dargestellt hatten. Sie hatten damals mitgeteilt, dass das Ministerium bisher jede Anfrage zu
TTIP/CETA beantwortet habe und dies auch in Zukunft zu tun beabsichtige. Der Beschluss des Ministerrats über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von CETA ist jetzt offenbar auf einen Termin im Herbst angesetzt worden. Der 13. Mai 2016, der nach der vorläufigen Agenda der holländischen Ratspräsidentschaft als Eventualtermin für diese Beschlüsse genannt worden ist, soll jetzt offenbar nur einer allgemeinen Aussprache zum Sachstand und zum weiteren Vorgehen in Sachen CETA dienen.
Mich interessiert die Frage, welche Gründe aus Ihrer Sicht für eine vorläufige Anwendung gem. Art. 218 Abs. 5 AEUV sprechen.
Die vorläufige Anwendung von sog. gemischten Abkommen der EU wird häufig damit begründet, dass dies einem "praktischen Bedürfnis" entspreche, um die Zeit für die Ratifikation in den Mitgliedsstaaten zu überbrücken (vgl. Kommentar Lenz/Müller-Ibold
Randnummer 16 zu Art. 218 AEUV). Es werden auch noch bestehende Zollschranken erwähnt, deren rascher Wegfall einen allseitigen Vorteil versprechen solle.
Mir scheint zweifelhaft, ob diese Begründungen für CETA, das über ein reines Handelsabkommen weit hinausgeht, ausreichend sind. Die Auswirkungen der vorläufigen Anwendung sind zu wesentlichen Teilen endgültig, sie sind praktisch nicht reversibel:
Die vorläufige Anwendung ist nicht befristet (im Falle der Energiecharta währt die vorläufige Anwendung in einigen Ländern länger als 20 Jahre).
Sie kann nur durch eine schwer zu bewerkstelligende Entscheidung des Ministerrats beendet werden, der als sog. actus contrarius
der Entscheidung nach Art. 218 Abs. 5 AEUV gleichfalls einer qualifizierten Mehrheit bedürfte. Selbst eine spätere Entscheidung des Deutschen Bundestages könnte an der vorläufigen Anwendung nichts ändern. Viele während der vorläufigen Anwendung getroffenen Entscheidungen und Veränderungen des wirtschaftlichen und politischen Lebens werden auch nach Beendigung der vorläufigen Anwendung nicht aus der Welt sein.
Der Entscheidung zur vorläufigen Anwendung müsste - wie auch sonst jeder Ermessensentscheidung eines öffentlichen Organs - eine Abwägung des wesentlichen Nutzens gegen die Risiken zugrunde liegen. Die maßgeblichen Erwägungen sollten, um eine demokratische Debatte zu ermöglichen, auch öffentlich kommuniziert werden.
Das BMWi plädiert heute selbst dafür, die Vorschriften zum Investitionsschutz und zum Investoren-Staats-Streitverfahren von der vorläufigen Anwendung auszunehmen
http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirts…ommen/ceta.html
.
Ein Grund dafür dürfte sein, dass die Zuständigkeit der EU für Teile des Investitionsschutzes zweifelhaft ist. Zudem erscheint es sinnvoll, eine
Entscheidung des Bundestages zu dieser in Wissenschaft und Gesellschaft umstrittenen Frage nicht durch die vorläufige Anwendung zu
präjudizieren (vgl. Gutachten Prof. Weiß „Verfassungsprobleme der vorläufigen Anwendung von EU-Freihandelsabkommen“ vom 15.3.2016).
Eine solche Interessenabwägung sollte nach meiner Meinung für jeden wesentlichen Regelungsbereich des Vertrages gesondert getroffen werden. Dies gilt zumindest für die Punkte, derentwegen CETA als Abkommen neuen Typs anzusehen ist, oder dort, wo eine Entscheidung des EuGH im Verfahren zum Abkommen mit Singapur über die Verbandszuständigkeit der EU ansteht, oder für solche Bereiche, für die in Rechtsgutachten deutscher Ordinarien die Vereinbarkeit des Vertragstextes mit GG und EU-Verfassung in Zweifel gezogen wird (vgl. Gutachten von Prof. Weiß vom 15. 3. 2016, Dies wäre n beispielsweise: Gesundheitsschutz, Umweltschutz, öffentliche Daseinsvorsorge, kommunalen Dienste, das Ausschußsystem mit dem Joint Committee an der Spitze – s. Fischer-Lescano/Horst, Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben für das Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA), S. 15ff., die Problematik der regulatorischen Kooperation, mit der wesentliche Bereiche der Gesetzgebung, etwa das Agenda-Setting zur Disposition von gemeinsamen Ausschüssen und Diskussionsforen gestellt werden und am Ende i. w. nur der Gesetzgebungsakt dem Parlament vorbehalten bleibt -
siehe dazu Susanne Baer, Rechtssoziologie, Rechtsetzung als Politikzyklus, S. 200 ff).
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Gesichtspunkte mitteilen können, die für Ihre Abstimmung bei der Beschlussfassung zur vorläufige
Anwendung von CETA maßgeblich sein werden, insbesondere: wie Sie sicherstellen werden, dass über die grundsätzlichen Fragen
des Abkommens, das tief in unser tägliches Leben eingreifen wird, von unseren Vertretern in Bundestag und Bundesrat entschieden wird. Ob es sich bei CETA um ein sog. „gemischtes“ Abkommen handelt, wäre im Falle einer vorläufigen Anwendung i. w. obsolet!
Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Bedenken zerstreuen könnten.
Mit freundlichen Grüssen
Wilfried Pürsten



Betreff:
AW: z.H. Herrn Staatssekretär Mahias Machnig, Betreff: CETA - Ermessensausübung bei der Entscheidung zur vorläufigen Anwendung
Von: <buergerdialog@bmwi.bund.de>
Datum:
12.05.2016 13:28

Sehr geehrter Herr Pürsten,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 9. Mai 2016 an Herrn Sts Machnig. Wir sind beauftragt, Ihnen die Positionen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wie folgt darzulegen: wie die Bundesregierung auch schriftlich ausgeführt hat, wird sich eine etwaige
vorläufige Anwendung von CETA nur auf die Bereiche des Abkommens erstrecken, die in der ausschließlichen Zuständigkeit der Europäischen
Union liegen.
Die Ratifizierungsverfahren im Rat, dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten beziehen sich jeweils auf das gesamte CETA-Abkommen. Die Ratifizierung durch den Rat und das Europäische Parlament richtet sich nach den Verfahrensvorschriften des Unionsrechts, während sich die Ratifizierungsverfahren in den nationalen Parlamenten nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht richten.
Somit sind weder die noch anstehenden Abstimmungen über CETA (oder später auch zu dem anderen Freihandelsabkommen TTIP) im Vorfeld "entwertet" noch wird sich die Bundesregierung den Ergebnissen eben jener Abstimmungen entziehen wollen.
Sigmar Gabriel legt größten Wert darauf, dass solch wegweisenden Abkommen wie CETA und TTIP natürlich legitimiert sein sollen, um eine
möglichst breite Akzeptanz auch in der Bevölkerung zu bekommen. Dies bedeutet konsequent, dass die Abstimmung über
CETA (und später auch über TTIP) im Parlament stattfinden wird und die Bundesregierung diesen Abstimmungen zu folgen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Team Bürgerdialog
Referat LB 3 - Bürgerdialog
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Scharnhorststr. 34-37, 10115 Berlin
Fax: 030 18615-5300