Gespräch Nordhessisches Bündnis / Grüne am 08.03.2019
Das nordhessische Bündnis für gerechten Welthandel hatte am 8.3.19 ein einstündiges Gespräch mit den Kasseler Landtagsabgeordneten der Grünen, Karin Müller und Vanessa Gronemann, um die Sorge zu erörtern, dass die hessischen Grünen es beabsichtigen, CETA im Bundesrat mit den hessischen Stimmen zu zustimmen und damit zu ermöglichen.
Die Bündnismitglieder trugen vor:
• Mit der in CETA vereinbarten Investitionschutzregelung wird den Konzernen ein Machtmittel verschafft, unliebsame Gesetze, die ihre Gewinnaussichten schmälern, zu beklagen und Schadenersatz zu verlangen.
• Diese Klagemöglichkeit der Konzerne wird Gesetzgeber einschüchtern und auf diese Weise Gesetze im Sinne des Gemeinwohls schon im Vorfeld durch die Bedrohung der Strafzahlungen verhindern.
• In CETA und in den weiteren modernen Handelsabkommen wird die Bildung von Ausschüssen vereinbart. Diese Ausschüsse können die Abkommen interpretieren, nachträglich verändern und Regelungen treffen, die dann von der Exekutive in den beteiligten Ländern umgesetzt werden müssen. Diese Befugnisse der Ausschüsse können nicht durch Gerichte überprüft werden und benötigen keine Zustimmung durch Parlamente.
• Mit der vereinbarten Investitionsschutzregelung und der Ermächtigung der Ausschüsse wird die Kompetenz der Parlamente untergraben, die Demokratie ausgehöhlt und den Konzernen noch mehr Macht und Einfluss verschafft.
• Schon jetzt haben die Konzerne so viel Macht und Einfluss auf politische Entscheidungen, dass z.B. die Energiewende ausgebremst, der Klimawandel nicht rechtzeitig gestoppt wird. Politik unter dem mächtigen Einfluss der Finanzinteressen und der Konzerne führt zu einer Gesetzgebung, die Reiche immer reicher werden lässt und gleichzeitig immer mehr Menschen in Armut geraten.
• Schon die jetzige Politik im Sinne der Konzerne und der Finanzinteressen führt dazu, dass immer mehr Gebiete auf unserer Welt als Lebensraum für Menschen verloren gehen, Kriege, Flucht und Vertreibung verursacht werden und stattfinden. Gleichzeitig geht das Vertrauen in die Fürsorge der handelnden Parteien bei den Menschen verloren, die durch diese neoliberale Politik erleben, dass sie als Verlierer in ihren Existenzmöglichkeiten beschnitten werden. Das Erstarken von nationalistischen und inhumanen Parteien in vielen Ländern ist eine Folge der zunehmenden Spaltung der Gesellschaften.
• Unsere Demokratie ist also in doppelter Hinsicht durch CETA und entsprechende Abkommen gefährdet. Die Parlamente verlieren die Macht, die den Konzernen zu-wächst. Die durch noch mehr Neoliberalismus sich weiter vertiefende Spaltung der Gesellschaft kann und wird Bewegungen an die Macht bringen, die die Demokratie und den Anspruch auf Menschenrechte untergraben (Trump, Le Pen, AFD usw.).
Die Grünen Landtagsabgeordneten stellten fest:
1) Sie teilten die Analyse und Bedenken, die von den Bündnismitgliedern vorgetragen wurden.
2) Die Grünen hätten sich immer gegen CETA gewendet und im Bundestag dagegen ausgesprochen.
3) Die Zustimmung zu CETA der hessischen Grünen im Bundesrat stünde laut Koalitionsvertrag unter dem Vorbehalt, dass die Gerichte (BVerfG u. EuGH) CETA in den noch ausstehenden Verfahren nicht beanstanden.
4) Für das Zustandekommen von CETA als handelspolitisches Abkommen, könne man nun nicht ausgerechnet die hessische Landespolitik verantwortlich machen.
5) Bürgerinitiativen wie das nordhessische Bündnis können Teilaspekte (wie „Stoppt CETA“) vertreten. Die Grünen als Partei müssen alle Themenbereiche im Auge haben und gegeneinander abwägen.
6) Die CDU habe für die Bereitschaft der Grünen, CETA zu unterstützen, im Gegenzug Zugeständnisse in der Frage der sicheren Herkunftsländer gemacht.
7) Der Koalitionsvertrag, der eine Zustimmung zu CETA im Bundesrat durch die Grünen vorsieht (wenn BVerfG u. EuGH CETA nicht beanstanden), sei durch die Mitgliederversammlung angenommen worden und daher nicht mehr in Frage zu stellen.

Eine Koalition mit der CDU war nur möglich, wenn die Grünen bereit waren, CETA mit dem Gerichtsvorbehalt zu unterstützen. Sonst hätte die CDU mit der SPD koaliert.
Zu den einzelnen von Frau Müller und Frau Gronemann vorgetragenen Feststellungen erwidern die Bündnismitglieder:
1. Wenn man die Wirkungen des Abkommens erkennt und sieht, dass es die Demokratie aushöhlt und Bemühungen für mehr Umwelt- und Verbraucherschutz den Boden entzieht, darf man dieses Abkommen nicht ermöglichen.
2. Es nützt wenig, wenn die Grünen im Bundestag, wo sie in wirkungsloser Opposition sind, gegen das Abkommen stimmen und dann da, wo sie die Macht haben, das Abkommen zu verhindern, das Abkommen unterstützen.
3. Die Grünen dürfen sich nicht hinter Gerichtsentscheidungen verstecken. Ob die Politik den Konzernen die Möglichkeit einräumt, noch stärkeren Einfluss auf Fragen des Umwelt-, Verbraucher-, und Arbeitsschutzes zu bekommen, ist zuerst eine politische Entscheidung.
4. Hessen kann in dieser Frage im Bundesrat Zünglein an der Waage sein. Dann entscheidet sich gerade in Hessen, ob die Grünen CETA ermöglichen, oder verhindern wollen.
5. Bei der Verhinderung von Abkommen wie CETA handelt es sich nicht um einen Teilaspekt. Die Frage, ob eine wehrhafte Demokratie die negativen Auswirkungen der Kapitalinteressen auf das Gemeinwohl zügeln und regulieren kann, betrifft die elementare „Geschäftsgrundlage“ unseres Systems.
6. Der Kapitalismus ist nur dann ein dem Ganzen dienendes Gesellschaftssystem, wenn sein Ringen um kurzfristige Gewinnmaximierung und um Machtkonzentration begrenzt werden. Diese Begrenzung kann nur mit dem Gemeinwohl dienenden Gesetzen durch ein starkes, gesetzgebendes Parlament erfolgen. Mit der Zustimmung zu CETA im Koalitionsvertrag schwächen die Grünen die Kompetenz der Parlamente drastisch und stärken die schon jetzt zu große Macht der Kapitalinteressen. Dieser fundamentalen Machtverschiebung (in einem faktisch nicht kündbaren Vertrag) zuzustimmen, bedeutet die Grundlage unserer Demokratie weiter auszuhöhlen und steht in keinem Verhältnis zu den tagespolitischen Zugeständnissen der CDU im Koalitionsvertrag.
7. Wenn die Grünen Mitglieder diese „Kröte“ (die Ermöglichung von CETA) im Koalitionsvertrag zustimmend geschluckt haben, dann kann man nur wohlwollend unterstellen, dass ihnen die Brisanz dieses Details nicht bewusst war. Vor der Wahl haben die Grünen noch versprochen, dass über CETA vor der Entscheidung im Parteirat entschieden wird. Im Wahlkampf haben die Grünen über das Thema CETA geschwiegen und damit ihre Zustimmung zu diesem Vertrag schon vorbereitet.
8. Die SPD in Hessen hätte sich vermutlich nicht gleich wieder auf eine Koalition mit der CDU eingelassen, nachdem dieses Modell in Berlin gerade von den Wähler*innen so abgestraft wurde. Äußerungen von Tarek Al-Wazir lassen dagegen erkennen, dass es bei den Grünen inzwischen ein eigenes Interesse gibt, CETA zu ermöglichen.
Die Grünen werden im Bewusstsein der Bevölkerung als Partei für Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz wahrgenommen. Wenn sie eine Regierungsbeteiligung nur erreichen konnten, indem sie mit CETA Parlamentsrechte der Regulation ihrem früheren Gegenspieler, den Konzernen übergeben, verraten sie damit ihren Markenkern (so wie die SPD das mit der Agenda 2010 tat).
Mit der Veröffentlichung dieser Auseinandersetzung laden wir BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN ein, zu den Argumenten Stellung zu nehmen. So eine Stellungnahme würde dann hier angefügt.
Wähler*innen, die z.B. bei der Europawahl ihr Stimme nur einer Partei geben wollen, die Fracking, CETA (und vergleichbare Abkommen) konsequent und glaubwürdig ablehnen, bleiben jetzt nur noch die Parteien:
DIE LINKE
https://www.die-linke.de/wahlen/europawahlen-2019/
ÖDP*
https://www.oedp-hessen.de/fileadmin/use…opawahl2019.pdf
PIRATEN*
https://www.piratenpartei.de/europawahl-2019/
* Es gibt bei der anstehenden Europawahl keine Sperrklausel. Schon 0.6% der Stimmen sichern den Kleinstparteien ein Mandat.
Das Bündnis erreichte am 13.03.19 von den Grünen Landtagsabgeordneten folgender Korrekturwunsch zu dem Gesprächsbericht, der hier gerne hier veröffentlicht werden soll. Wir waren alle auf der gleichen Veranstaltung, haben aber anscheinend Unterschiedliches gehört.
Wir überlassen es den Lesern, wie sie die „Hörproben“ der beiden Landtagsabgeordneten und der anwesenden Teilnehmer des "Nordhessischen Bündnisses für gerechten Welthandel einordnen“
Die Grünen Landtagsabgeordneten schreiben:
"Dort sind insbesondere zwei Punkte aus dem Zusammenhang falsch wiedergegeben, die wir bitten entsprechend zu korrigieren.
Wir haben gesagt, dass wir den Koalitionsvertrag auf der LMV mit breiter Mehrheit verabschiedet haben und uns daran halten und CETA da explizit diskutiert wurde und wir es auch nicht gut fänden, wenn sich die CDU zum Beispiel an die Vereinbarung zu den sicheren Herkunftsländern nicht halten würde. Wir haben nicht gesagt, „Die CDU habe für die Bereitschaft der Grünen, CETA zu unterstützen, im Gegenzug Zugeständnisse in der Frage der sicheren Herkunftsländer gemacht.“
Der letzte Satz stimmt auch nicht, wir haben nicht gesagt, dass eine Koalition nur mit der Zustimmung zu Ceta möglich war, sonst hätte die CDU mit der SPD eine Koalition gemacht, richtig ist, wir haben in dem Gespräch die Frage aufgeworfen, ob das Bündnis der Meinung ist, dass eine Koalition aus SPD und CDU etwas anderes vereinbart hätte in Bezug auf Ceta, diese Aussage fiel, als sie festgestellt haben, dass Ceta so existentiell ist, dass man die Koa verlassen sollte, deswegen kam die SPD Variante ins Gespräch.
Über eine kurze Rückmeldung, ob sie das veranlassen, würden wir uns freuen.
Freundliche Grüße
Karin Müller und Vanessa Gronemann
Hätten wir vom Bündnis den 2. korrigierten Satz so gehört, wie er jetzt von den Grünen beschrieben wird, wäre unsere Antwort folgende gewesen:
"Nein, nach unserem Erkenntnisstand gehen wir davon aus, dass auch die SPD dem unsere Demokratie aushöhlenden CETA Vertrag zugestimmt hätte. Diese Einschätzung, dass auch die SPD die Interessen ihrer Stammwähler zu Gunsten der Konzerninteressen übergeht, entlastet jedoch die Grünen nicht.
Während die SPD für den Verrat an ihren Stammwählern drastisch an Zustimmung verloren hat, sammeln die Grünen einen Teil dieser enttäuschen SPD Wähler*Innen mit ihrer angeblich die Umwelt und Verbraucher schützenden Politik ein.
Dass die Grünen, die (im Unterschied zur SPD) in ihren Programmen und auf unseren Demonstrationen, im Bundestag und in Europa erklärten, Abkommen wie CETA abzulehnen, dann klammheimlich CETA im Bundesrat durchwinken, ist Verrat an den gutgläubigen Wähler*innen. Mit der Bereitschaft der Grünen, den Konzernen, die einst in Fragen des Umwelt- und Verbraucherschutzes ihre Gegenspieler waren, nun mit noch größerer Macht auszustatten, werden sie zur weiteren neoliberalen Partei, der die Konzerninteressen wichtiger sind als das Allgemeinwohl.
Wenn die Grünen jetzt in ihrer Korrekturaufforderung nicht mehr anführen wollen, dass ohne ihre Zustimmung zu CETA die Koalitionsabsicht mit der CDU gescheitert wäre, ist es für uns noch weniger begreiflich, dass sie dieses Geschenk an die Konzerne für angebracht hielten."