Offener Brief an den Parteivorstand von B 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Damen und Herrn,
in Berlin demonstrierten über 300.000 Menschen gegen TTIP, CETA und TiSA.
Sehr viele dieser Menschen waren Wähler*Innen der GRÜNEN.
B 90/DIE GRÜNEN spricht sich auf solchen Demonstrationen und in seinem
Wahlprogrammentwurf gegen Handelsabkommen aus, die das Gemeinwohl
bedrohen und vieles, wofür die GRÜNEN einst gekämpft haben, gefährden.
Doch viele Menschen glauben den GRÜNEN nicht mehr. Wähler*Innen fürchten
inzwischen, dass sie mit den GRÜNEN eine Partei wählen, die gegen solche
Abkommen jetzt protestiert und z.B. CETA dann nach der Wahl als
Regierungspartei in Kraft treten lässt.
Bitte räumen Sie solche Zweifel aus. Antworten Sie mir und in der
Öffentlichkeit bitte auf drei einfache Fragen:
Können Sie versprechen, dass
• B 90/ DIE GRÜNEN in keine Koalition geht, die CETA ratifizieren will?
• B 90/ DIE GRÜNEN seinen Einfluss in allen Ländern, in denen es an der
Regierung beteiligt ist, nutzt, um CETA im Bundesrat zu verhindern?
• B 90/ Die GRÜNEN im Wahlkampf die Bürger*Innen über seine fundierten
Vorbehalte gegen diese Abkommen aufklärt?
Könnten Sie die drei Fragen in einer Öffentlichkeitskampagne mit Ja
beantworten, würden Ihre Umfragewerte deutlich steigen. Es gibt sehr,
sehr viele Menschen, die CETA und damit den nächsten Schritt in den
Neoliberalismus verhindert haben wollen und den GRÜNEN in dieser
zentralen Frage gerne wieder vertrauen würden.
Ihre Antwort auf meinen Brief – so ich überhaupt eine bekomme – würde
ich gerne vielen Menschen zugänglich machen.
Mit hoffnungsvollen Grüßen
Henner Gröschner
Antwort der GRÜNEN vom 03.05.2017
Sehr geehrter Herr Gröschner,
vielen Dank für die E-Mail.
Frühzeitig haben wir GRÜNE auf Bundes- wie auf Europaebene unsere Kritik vor allem an den Regelungen zum Investitionsschutz in den Handelsabkommen CETA wie auch TTIP deutlich gemacht. Sorgen machen und auch die Regelungen, die sich auf öffentliche Dienstleistungen beziehen. Die Aufgabe der Daseinsvorsorge dürfen künftig auch weiterhin nicht ausschließlich wirtschaftlichen Interessen unterliegen.
Wir sind der Auffassung, dass Schiedsgerichte in CETA keinen Platz haben sollten, Linkdass diese nicht benötigt werden und daher ersatzlos gestrichen werden müssen. An unserer Kritik und Ablehnung hat sich mit den Ergebnissen der Nachverhandlungen nichts geändert. Das Investment Court System, kurz ICS, löst die Probleme nicht, sondern verpackt sie nur anders. Trotz einiger kleiner Verbesserungen handelt es sich um das alte System von Klageprivilegien in einem neuen Gewand. Klagen wie die von Vattenfall gegen Deutschland oder Philip Morris gegen Uruguay wären mit dem neuen Vorschlag vermutlich weiter möglich.
Kommission und Rat haben die breite und grundsätzliche Kritik am Instrument der Schiedsgerichte ignoriert. Das zeigt, wie wenig Kommission und Rat bereit sind, auf Kritik einzugehen.
Wir hatten auch auf unserem letzten Parteitag im November 2016 einen Beschluss zu CETA gefaßt und darin dazu aufgerufen, dem CETA-Vertrag nicht zuzustimmen:
http://www.gruene.de/fileadmin/user_uplo…del_und_V31.pdf
Diese Fragen diskutieren wir natürlich auch mit den Grünen in den Bundesländern und werben für eine deutliche Haltung gegen die Handelsabkommen, wie sie nun bekannt bzw. vorgelegt worden sind. Aber: Schlussendlich entscheiden die jeweiligen Landesregierungen selbst und nicht die Parteien über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat.
Im Entwurf unseres Bundestagswahlprogramm, den unsere Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir am 10. März vorgestellt haben, steht zum Thema CETA auch:
"TTIP, CETA, TiSA oder andere Abkommen dieser Art sind so umstritten, weil hier die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zur Verhandlungsmasse wurden. Wir Grünen lehnen diese Abkommen in ihrer jetzigen Form ab. Einige wenige große, länderübergreifende Konzerne profitieren, kleine und mittlere Unternehmen haben das Nachsehen. Deshalb demonstrieren dagegen Kleinbauern und -bäuerinnen in Burkina Faso genauso wie der bäuerliche Familienbetrieb in Baden-Württemberg. Dabei sollten faire Handelsabkommen Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz sowie Arbeitsnormen nicht schwächen, sondern international sichern und ausbauen.
Viele Kommunen fürchten, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in Handelsabkommen nicht ausreichend geschützt wird. Hier geht es um Krankenhäuser, die Wasserversorgung oder um die kulturelle Vielfalt. Wenn Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen nicht klar definiert sind, garantieren sie keinen ausreichenden Schutz. Vor allem sind diese Dienstleistungen nicht vom Investitionsschutz ausgenommen – Klagen gegen die kommunale Daseinsvorsorge vor einem Schiedsgericht würden so möglich.
Wir Grünen fordern, das Vorsorgeprinzip in allen Handelsverträgen zu verankern. Dieses Prinzip stellt sicher, dass Produkte bei uns erst auf den Markt dürfen, wenn klar ist, dass sie unbedenklich sind. Es sorgt dafür, dass in der EU zum Beispiel 1.300 Substanzen nicht für den Einsatz in Kosmetika zugelassen sind. Gentechnisch veränderte Lebensmittel, Asbest oder Hormonfleisch sind verboten. Sogenannte Investor-Staat-Schiedsverfahren oder ein Investitionsgerichtssystem (ICS) sehen sehen Klageprivilegien für Konzerne vor. Wir wollen nicht, dass demokratisch beschlossene Gesetze wie etwa der Atomausstieg oder Regeln für Aufdrucke auf Zigarettenpackungen dadurch unterlaufen werden. Für solche Verfahren gibt es keine Begründung. Sonderklagerechte für Investoren und große Konzerne lehnen wir entschieden ab. Wir setzen uns stattdessen für einen ständigen Handelsgerichtshof unter dem Dach der Vereinten Nationen ein, der auch auf soziale, menschenrechtliche, umwelt- und klimarelevante völkerrechtliche Verpflichtungen achtet."
Diese Fragen diskutieren wir natürlich auch mit den Grünen in den Bundesländern und werben für eine deutliche Haltung gegen die Handelsabkommen, wie sie nun bekannt bzw. vorgelegt worden sind. Aber: Schlussendlich entscheiden die jeweiligen Landesregierungen selbst und nicht die Parteien über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat.
Ich hoffe ich konnte Ihr Anliegen zufriedenstellend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Mrowietz
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bundesgeschäftsstelle
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin
Folgende Bitte vom 03.05.2017 an B 90/DIE GRÜNEN, zum Kern der Anfrage Stellung zu nehmen, blieb bisher (05.06.2017) unbeantwortet.
Sehr geehrter Herr Mrowietz,
vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Es ist erfreulich, dass DIE GRÜNEN sich so früh und mit überzeugenden Gründen gegen diese Handelsabkommen positioniert haben.
Sie beschreiben in Ihrer Mail zutreffend viele der Bedrohungen, die für unsere Gesellschaft und ihre weitere Entwicklung durch diese Abkommen entsteht.
Die Regelungen dieser Abkommen stehen den Zielen, die die GRÜNEN einst groß gemacht haben, so deutlich entgegen, dass die GRÜNEN es mit ihrem früheren Selbstverständnis nicht vereinbaren könnten, diese Abkommen zustande kommen zu lassen. So müsste den GRÜNEN eine Zusicherung, dass sie sich an keiner Koalition beteiligen, die CETA und ähnliche Abkommen ratifiziert, ganz selbstverständlich sein.
Die Tatsache, dass Sie diesen Kern der Anfrage nicht beantwortet haben, zeigt wie berechtigt die Sorge ist, dass Wählerstimmen für die GRÜNEN zum Schluss dazu beitragen können, eine Koalition zu ermöglichen, die CETA verabschiedet.
Mit anderen Worten lese ich aus Ihrer Antwort kurz zusammengefasst folgenden Inhalt:
CETA ist zwar aus vielen Gründen sehr schädlich für uns, doch wir können es nicht ausschließen, dass wir die für B 90/DIE GRÜNEN abgegebenen Wählerstimmen auch nutzen, um CETA in Kraft zu setzten . Und weil wir in diesem Zwiespalt sind, machen wir CETA nicht zum wichtigen Wahlkampfthema.
Solange von Ihnen keine andere Auskunft zu erhalten ist, werden wir CETA Gegner diese zwiespältige Haltung der GRÜNEN offen legen.
Noch kurz eine Anmerkung zu folgendem Zitat aus Ihrer Mail:
"Diese Fragen diskutieren wir natürlich auch mit den Grünen in den Bundesländern und werben für eine deutliche Haltung gegen die Handelsabkommen, wie sie nun bekannt bzw. vorgelegt worden sind. Aber: Schlussendlich entscheiden die jeweiligen Landesregierungen selbst und nicht die Parteien über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat."
Sie wissen natürlich gut, dass DIE GRÜNEN in allen Landesregierungen, an denen sie beteiligt sind, eine Enthaltung dieser Landesregierungen im Bundesrat fordern könnten (wenn sie verlässlich CETA verhindern wollten). Und sie wissen auch, dass die GRÜNEN unter derzeitigen Bedingungen mit diesen Enthaltungen CETA im Bundesrat verhindern könnten.
Ehe ich unseren Schriftwechsel in folgendem Thread veröffentlichen werde, warte ich noch einige Tage ab, ob von B 90/ DIE GRÜNEN noch eine klarere Antwort auf die drei gestellten Fragen aus meinem Anfrageschreiben zu erhalten ist:
http://www.frackingfreieshessen.de/index…d&threadID=3099
Mit freundlichen Grüßen
Henner Gröschner
Die Bundesgeschäftsstelle B90 DIE GRÜNEN schreibt darauf am 12.06.2017
Sehr geehrter Herr Gröschner,
unsere Arbeitskapazitäten sind wegen des großen Interesses an den Positionen unserer Partei momentan leider überlastet. Tut uns leid, dass wir nur mit etwas Verspätung antworten können.
. Sollte es zu Koalitionsverhandlungen im Bund kommen, werden wir unseren Koalitionsvertrag unseren Mitgliedern in einer Urabstimmung vorlegen. Schwer vorstellbar, dass unsere Mitglieder anders als die die Fraktionen im Bund und in der EU einem Koalitionsvertrag zustimmen, mit dem der vorliegende CETA-Vertragstext beschlossen wird.
Grundsätzlich kann in einem föderalen System eine Bundestagsfraktion nicht das Abstimmungsverhalten von Bundesländern garantieren. Die grünen Landesverbände haben aber ihre Kritik an CETA klar und ausdrücklich formuliert. Wir wollen uns zusammen mit ihnen dafür einsetzen, dass CETA so nicht beschlossen, sondern neu verhandelt wird.
Hunderttausende Menschen in Deutschland und anderen Ländern Europas haben in den letzten Jahren gegen TTIP, TiSA und CETA, gegen eine Fortsetzung der enthemmten Globalisierung demonstriert. Wir kämpfen an ihrer Seite! TTIP, CETA, TiSA oder andere Abkommen dieser Art sind so umstritten, weil hier die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zur Verhandlungsmasse wurden. Wir GRÜNE lehnen diese Abkommen in ihrer jetzigen Form ab. Wir setzen uns für einen fairen Welthandel ein. Dafür fordern wir in unserem Wahlprogramm den Neustart bei TTIP, CETA, TiSA und anderen solchen Abkommen, die von Anfang an transparent verhandelt werden müssen und an sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Kriterien ausgerichtet sein müssen. Sonderklagerechte für Investoren und große Konzerne lehnen wir ab. Wir setzen uns stattdessen für einen ständigen Handelsgerichtshof unter dem Dach der Vereinten Nationen ein, der auch auf soziale, menschenrechtliche, umwelt- und klimarelevante völkerrechtliche Verpflichtungen achtet. Unser Handel mit ärmeren Ländern muss so aufgebaut werden, dass er zu ihrer nachhaltigen Entwicklung beiträgt.
Ich hoffe ich konnte Ihr Anliegen zufriedenstellend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Mrowietz
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bundesgeschäftsstelle
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin
Antwort darauf vom 13.06.2017:
Sehr geehrter Herr Mrowietz,
Sie schreiben nun: „Bei uns gilt auch nach der Wahl: Basis ist Boss“
Da führe ich gleich einmal drei Beispiele auf, wie wenig DIE GRÜNEN die Interessen ihrer Basis beachten, um den Konzernen Geschenke zu machen:
1. 87% der GRÜNEN- Anhänger, die Bundespartei und verschiedene Landesverbände sprachen sich für ein Frackingverbot aus – in Niedersachsen und im Bundesrat trugen die Grünen jedoch dazu bei, Fracking zu ermöglichen.
2. Die Länder mit GRÜNER Regierungsbeteiligung winkten im Bundesrat eine Grundgesetzänderung durch ( die GRÜNEN hätten sie verhindern konnten), die den Versicherungskonzernen und Banken den Weg eröffnet zur „privaten Renditejagd“ (Zitat Hofreiter).
3. Die GRÜNEN halten sich die Möglichkeit offen, CETA und ähnliche Abkommen zu ermöglichen.
Sie schreiben weiter: „Grundsätzlich kann in einem föderalen System eine Bundestagsfraktion nicht das Abstimmungsverhalten von Bundesländern garantieren.“
Die Frage nach Klarheit in der CETA Frage richtete sich nicht an die Bundestagsfraktion, sondern an die Partei B90 DIE GRÜNEN, die sich die Konzern-freundlichen Entscheidungen ihrer Repräsentanten in den Bundesländern zurechnen lassen muss.
Wenn WählerInnen vor einer Wahlentscheidung von den GRÜNEN wissen wollten, ob sie sicher sein können, dass DIE GRÜNEN nicht nach der Wahl in eine Koalition gehen, die neue Atomkraftwerke bauen will, bekämen diese doch bestimmt eine eindeutige und verlässliche Antwort auf diese Frage?
Die Folgen der Realisierung von CETA und Fracking durch DIE GRÜNEN vertragen sich ebenso wenig mit den Erwartungen sehr vieler GRÜNEN- WählerInnen, sodass die vor der Wahlentscheidung eine verlässliche Auskunft von B90 DIE GRÜNEN erwarten können. Würde Ihr Satz gelten, dass die Basis Boss ist, wäre so eine Wahlaussage ganz selbstverständlich, die CETA und Fracking mit GRÜNER Regierungsbeteiligung verlässlich ausschließt.
Diese verlässliche Auskunft ist derzeit offensichtlich von den GRÜNEN nicht zu erhalten. So bleibt uns nur die Möglichkeit, diese Unbestimmtheit öffentlich und bewusst zu machen, damit WählerInnen entscheiden können, ob sie den Weg der GRÜNEN in den Neoliberalismus mit ihrer Stimme unterstützen wollen: change.org/ceta-gruene
Mit freundlichen Grüßen von Henner Gröschner