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Bildergalerie TTIP, CETA und TISA

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Donnerstag, 21. September 2023, 12:57

Umweltinstitut München : CETA-Leak: Wir veröffentlichen geheime Interpretationserklärung

Mit einer Zusatzerklärung wollte die Bundesregierung die anhaltende
Kritik am Investitionsschutzkapitel im europäisch-kanadischen
Freihandelsabkommen CETA ausräumen. Gemeinsam mit PowerShift haben wir
den unter Verschluss gehaltenen konsolidierten Text sowie eine
ausführliche Analyse veröffentlicht.


Demokratie ist nicht verhandelbar
stand auf den Bannern, mit denen die Grünen vor einigen Jahren
gemeinsam mit Hunderttausenden Bürger:innen an den großen
Demonstrationen gegen TTIP und CETA teilnahmen. Dennoch ratifizierte die
Bundesregierung mit grüner Beteiligung das europäisch-kanadische
Freihandelsabkommen CETA im Bundestag. Wie kam es dazu? Bereits im Juni
2022 kündigten die drei Ampel-Parteien an, anhand einer so genannten
Interpretationserklärung umstrittene Punkte des CETA-Abkommens wie
Konzernklagerechte für Investoren und fehlende Verabredungen zum
Klimaschutz ausbügeln, um später das Abkommen durch den Bundestag
ratifizieren zu lassen. Zwei Monate später veröffentlichte das
Umweltinstitut München ein juristisches Kurzgutachten,
welches belegte: Die Kompetenz, den Investitionsschutz in CETA auf
diese Weise einzuschränken, hat der zuständige Ausschuss gar nicht! Denn
im Ergebnis würde sie über die Grenzen der Auslegung hinausgehen und
faktisch den Vertragstext tiefgreifend ändern. Hierzu ist der
Gemeinsame Ausschuss aber nicht befugt. Eine entsprechende Erklärung
würde also mit hoher Wahrscheinlichkeit von CETA-Schiedsgerichten, die
an den Vertragstext gebunden sind und diesen auslegen müssen, nicht
beachtet werden. Trotz zahlreicher Warnungen von Jurist:innen und
Nichtregierungsorganisationen hielt die Bundesregierung an ihrem Plan
fest. Sie machte die Interpretationserklärung zur Bedingung für die
Ratifizierung.

Intransparent und undemokratisch

In diesen gesamten Prozess wurden
weder der Bundestag noch die Zivilgesellschaft eingebunden. Erst durch
einen von uns veröffentlichten Leak erfuhr die Öffentlichkeit von dem
Inhalt des Entwurfs des Wirtschaftsministeriums. Obwohl die
Interpretationserklärung zum Investitionsschutz als Voraussetzung für
die zweite und dritte Lesung des Ratifizierungsgesetzes angekündigt
worden war, war der Text bis zum Tag der Ratifizierung durch den
Bundestag nicht fertig verhandelt. Erst über ein halbes Jahr nach der
Ratifizierung durch die deutschen Parlamente, nämlich am 17. Juli 2023,
lag endlich die finalisierte Fassung der Erklärung vor. Nicht jedoch für
die Öffentlichkeit, sondern nur für einen „spezifischen Kreis von
Personen“.

Das Papier nicht wert

Diesen unerträglichen Zustand beenden
wir hiermit und veröffentlichen die Zusatzerklärung! Im Vorfeld haben
wir in Zusammenarbeit mit PowerShift und der renommierten Kanzlei
Günther aus Hamburg eine juristische und politische Analyse vorgenommen.
Unsere politische Analyse kommt dabei zu folgenden Ergebnissen:

  1. Unverbindliche Interpretationserklärung:
    Die vorliegende Interpretationserklärung dient lediglich als
    Interpretationshilfe für die Schiedsrichter:innen. Sie hat keine
    bindende oder gar ändernde Wirkung auf den Vertragstext selbst. Zu
    diesem Schluss kamen mehrere juristische Untersuchungen noch vor der
    Ratifizierung.
  2. Fehlende Partizipation:
    Obwohl die Interpretationserklärung zum Investitionsschutz als
    Voraussetzung für die zweite und dritte Lesung des
    Ratifizierungsgesetzes angekündigt worden war, erfolgte die Abstimmung
    im Bundestag, noch bevor die Verhandlungen über das Papier mit Kanada
    richtig begonnen hatten. Erst über ein halbes Jahr später wurde die
    Interpretationserklärung finalisiert. Die Bundestagsabgeordneten
    stimmten damit einem Abkommen unter Bedingung auf ein Papier zu, welches
    sie nicht kannten und dessen Inhalt sie nicht beeinflussen konnten.
  3. Intransparenz:
    Zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden im Vorfeld der ersten
    Lesung nicht einmal 24 Stunden zur Anhörung eingeräumt. Auch bei der
    Expert:innenanhörung waren sie im Gegensatz zu Industrievertreter:innen
    nicht eingeladen. Die Interpretationserklärung wurde im Geheimen
    verhandelt und wird der Öffentlichkeit vorenthalten.
  4. Konzernklagerechte haben weiterhin Bestand:
    Die Möglichkeit für Konzerne, Staaten auf Schadenersatz zu verklagen
    aufgrund fortschrittlicher Gesetzgebung zum Schutz des Klimas und der
    Verbraucher:innen, ist weiterhin gegeben. Auch unter Bezugnahme auf
    indirekte Enteignung und der gerechten und billigen Behandlung. Der
    vorliegende Text schafft keine Abhilfe.
  5. Klimaschutz gestrichen:
    Nahezu alle Bezüge zu Klimapolitik und konkretere Absprachen zum
    Klimaschutz wurden aus dem Entwurf der Interpretationserklärung
    gestrichen.

Und auch das juristische Gutachten findet klare Worte:

Zitat


“Im Ergebnis schafft die
Interpretationserklärung keine Abhilfe, soweit es um den Schutz für
klima- und umweltschädliche Investitionen geht.
Die Interpretationserklärung ist bereits von ihrem Rechtscharakter und
ihrer Rechtsnatur her nicht geeignet, das grundlegende
Investitionsschutzsystem in CETA zu ändern.”





Dr. Dirk Legler
Rechtsanwalt, Kanzlei Günther


Kehrtwende

Gerade in Zeiten einer bedrohten
Demokratie und eskalierenden humanitären und ökologischen Krisen halten
wir sowohl das beschriebene Vorgehen der Bundesregierung als auch die
Einführung von neuen Sonderklagerechten für Investoren, die nachweislich
die staatliche Handlungsfreiheit einschränken für skandalös! Wir
fordern den Stopp der Ratifizierung von CETA und eine dringende
Kehrtwende in der Handels- und Investitionspolitik. Wir werden auch
weiterhin gegen unfaire Handelsabkommen und undemokratisches Handeln
laut werden und freuen uns, wenn Sie mit dabei sind!

https://umweltinstitut.org/welt-und-hand…ionserklaerung/